Die Genusswoche
Vom 12. bis 22. September 2024
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Editorial 2023 – Unser Recht auf Nahrung

Die gute Nachricht kommt aus Genf. Die Bevölkerung hat mit überwältigender Mehrheit die Verankerung des Rechts auf Nahrung in der Verfassung angenommen. Dies ist ein Signal für all jene, die der Meinung sind, dass Nahrung im Mittelpunkt der Politik stehen sollte.

Hinter dem, was wir essen, stehen Fragen der Gesundheit, der landwirtschaftlichen Produktion, der Bildung, der Umwelt, des Tourismus und der sozialen Gerechtigkeit. Wir brauchen eine öffentliche Ernährungspolitik. Ein gutes Drittel der globalen Erwärmung hängt direkt mit der weltweiten Ernährung zusammen.

Als wir vor 23 Jahren die Schweizer Genusswoche ins Leben riefen, war uns nur teilweise bewusst, was unsere Bürgerbewegung bezwecken sollte. Wir ahnten zwar, dass die Agrarindustrie mit ihrem Gefolge von Junkfood uns in eine Sackgasse führen und dabei tiefwurzelnde Werte unserer kulturellen Identität zerstören würde. Aber wir wussten noch nicht, in welchem Ausmass die Mobilisierung von Konsumierenden Einfluss auf die Zukunft unserer Nahrung nehmen kann.

Common Sense statt Nutriscore

Unsere Nahrung wird besorgniserregenden industriellen Verarbeitungsprozessen unterzogen: Hydrierung, Homogenisierung, Extrusion, Fragmentierung, Hydrolyse. Grundnahrungsmittel gibt es immer weniger als Ganzes. Wir sind innerhalb weniger Jahrzehnte von frischen Lebensmitteln zu verpacktem, direkt verzehrbarem Junkfood übergegangen. Das Ergebnis springt ins Auge: Fettleibigkeit und Diabetes zu.

Was kann man tun? Wieder die Jahreszeiten leben, Kontakt zu lokalen Produzenten aufnehmen, daran denken, dass Kochen nie verlorene Zeit ist, und sich vor allem in Geselligkeit ernähren. Deshalb wollen wir eine Geschmackserziehung in allen Schulen ab der frühesten Kindheit. Deshalb wollen wir in den Schulen die Gesichter von Lebensmittelproduzenten sehen. Kurzum, menschliche Begegnungen, die Kopf und Bauch gut tun! Nach Jugend+Sport und Jugend+Musik braucht es Jugend+Genuss! Die Zukunft nachhaltiger und genussvoller Nahrungssysteme liegt heute in der Sensibilisierung von Kindern!

Unser Kühlschrank ist bereits eine Filiale der Supermärkte. Hinzu kommt der Nutriscore, und unser Gehirn stellt auf off. Er nimmt uns die Verantwortung ab, treibt uns in die Arme ultraverarbeiteter Lebensmittel und weg von den Produkten des lokalen kulinarischen Erbes. Deshalb gefällt er der Agrarindustrie so gut. Dabei ist gut Essen eigentlich so einfach: echt saisonale Lebensmittel, bevorzugterweise pflanzlich und einheimisch.

Netzwerk der Genussstädte und Genussakademie

Jedes Jahr ernennt die Stiftung im Rahmen eines Wettbewerbs eine Schweizer Genussstadt. Drei Viertel der Bevölkerung lebt in den Städten. Ohne städtische Politik können wir unser Ernährungssystem nicht verändern. Freiburg, die Schweizer Genussstadt 2023, hat diese Herausforderung so gut verstanden, dass sie alle ehemaligen Genussstädte eingeladen hat, ein Netzwerk zu gründen. Dieses nationale Netzwerk der Schweizer Genussstädte ist nun Teil unserer neuen Genussakademie. Eine Genussstadt ist eine Hochburg von Geschmackserlebnissen und sie muss auch den Mailänder Pakt für urbane Ernährungspolitik (2015) unterzeichnen. Ein Chefkoch wie Pierrot Ayer, der diesjährige Pate, ist ein Vorbild in Sachen einheimischer Kulinarik.

Die Stiftung Fondation pour le Goût mit ihren 5 Projekten (Schweizer Genusswoche, Kulinarische Genussorte, Swiss Wine Tour, Kulinarische Meriten Schweiz, Genussakademie) will den anspruchsvollen Konsumierenden in allen Fragen der Ernährungspolitik Gehör verschaffen. Das Recht auf Nahrung für alle ist unser Ziel.

Josef Zisyadis, Direktor Fondation pour la promotion du Goût, Mitglied des Schweizerischen nationalen FAO-Komitees (CNS-FAO)

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