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Editorial

Slow Food – Die Allianz der Köche: ein weltweites Netzwerk

  • 13 August 2019
  • Knut Schwander

Kulinarische Traditionen beleben und lokale Produkte fördern, so lautet das Ziel der Allianz der Köche von Slow Food. In der Schweiz haben sich bereits 53 Köchinnen und Köche der Allianz angeschlossen!

Gut, sauber und fair: diese drei Adjektive umschreiben das Projekt der Allianz der Köche Slow Food treffend. Das weltweit wachsende Netzwerk will eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Ernährung fördern.

In der Schweiz haben sich mittlerweile 37 Köche angeschlossen. In zwei Jahren sollten es aber um die Hundert sein, die sich für den Schutz der lokalen Kultur und der Biodiversität einsetzen. Denn ganz offensichtlich entspricht dieses Konzept den Sorgen einer wachsenden Anzahl Konsumenten, die vertrauenswürdige Referenzen suchen, welche sie in ihrem Wunsch nach bedachtem Konsum unterstützen.

Konkret verpflichten sich diese Köche, als Hüter des Gastrokulturerbes heimische und qualitativ hochstehende Rohstoffe zu verarbeiten, welche sie zu einem gerechten Preis bei Bauern, Züchtern, Fischern oder Kleinproduzenten , die traditionelles Können mit Respekt für die Natur, die Landschaft und das Wohl der Tiere weiterleben. Die Köche engagieren sich auch dafür, mit Presidi-Produkten (vom Verschwinden bedrohte Lebensmittel) zu kochen, das gesamte Projekt Slow Food durch Auflegen von Broschüren zu erklären und die Namen der Produzenten mitsamt ihren Logos in ihrer Speisekarte aufzuführen.

Wir haben drei dieser Personen getroffen, um ihre Motivationen, Hoffnungen und Gefühle angesichts dieses Projekts besser kennenzulernen.

 

« Ich bin seit jeher Slow Food »

Romano Hasenauer ist eine wichtige Figur in der Lausanner Verp egungswelt. Er hat mehrere kulinarische Konzepte auf die Beine gestellt, die alle den Produkten und Weinen aus der Region treu sind. Im Chalet des Enfants, mitten in der Natur, aber nahe an der Stadt, bringt er sein Vorhaben mit exklusiven Menüs, Besuchen des Gemüsegartens und regelmässigen Unterhaltungsprogrammen zum Leben.

GW Seit wann setzen Sie das Prinzip des Slow Food um?

RH Ich bin seit jeher Slow Food! Ich interessierte mich bereits dafür, bevor es in der Schweiz offiziell existierte.

GW Stört Sie die Einbindung gewisser Grossverteiler nicht?

RH Anfangs war ich zurückhaltend, das stimmt. Heute verstehe ich den Nut- zen dieses Vorgehens, finde aber nach wie vor, dass andere Wege entwickelt und gefördert werden sollten.

GW Was denken Sie über das Projekt Allianz der Köche?

RH Es ist ein vielversprechendes Projekt. Auch wenn wir im Chalet des Enfants schon immer lokale Erzeugnisse honoriert haben und sich deshalb für uns nichts verändert hat. Trotzdem fördert das Projekt den Dialog und das Entdecken vergessener Produkte, wie dem « Chantzet » (Presidio Slow Food), dieser typischen Wurst aus den Waadtländer Alpen.

GW Wie reagierten Ihre Kunden auf das Label Slow Food?

RH Ich bin überrascht zu sehen, dass viele unserer Kunden Slow Food nicht kennen. Das ist dann jedes Mal eine gute Gelegenheit, mit ihnen darüber zu sprechen und sie auf die Anliegen aufmerksam zu machen, ohne sie mit Informationen zu überschwemmen oder sie zu langweilen.

GW Wie kommunizieren Sie über Slow Food?

RH Bei uns steht je nach Saison eine spezielle Menükarte auf jedem Tisch mit einer kurzen Erklärung, was Slow Food ist. Weiter verteilen wir Flyers sowie Magazine, und das Personal ist geschult, um auf die Fragen der Kunden eingehen zu können. In der Nebensaison organisieren wir auch spezielle Gerichte, welche es ermöglichen, die Werte von Slow Food und insbesondere der Presidi-Produkte hervorzuheben.

 

 « Slow Food ist mehr als ein Label, es ist eine Vorgehensweise »

In ihrer hübschen, mit viel Geschmack renovierten Herberge und im Sommer im wunderschönen Garten zaubert Tanja Büsser « Überraschungsmenüs » mit viel Finesse und Authentizität auf den Tisch. Ihre Philosophie: Bio-Produkte und Erzeugnisse aus der Region Uznach (SG).

GW Was hat Ihnen Slow Food konkret gebracht?

TB Erstens hat es mich dazu animiert, beim Einkaufen noch aufmerksamer zu sein. Weiter ist es eine Gelegenheit, sein Netzwerk auszubauen, auch wenn meins vorher schon schön breit war. Mit den Kunden über das Projekt zu sprechen, macht sie empfänglich für dieses Vorhaben.

GW Wie teilen Sie das Label Slow Food Ihren Kunden mit?

TB Damit eines klar ist: Slow Food darf nicht nur ein einfaches Label sein, sondern eine vollwertige Vorgehensweise. An der Tür hängt ein Schild, aber wir bevorzugen den Dialog mit unseren Gästen.

GW Wie eröffnen Sie den Dialog?

TB Bei uns gibt es keine Menükarte, sondern ein Menü, welches um die Produkte herum aufgebaut ist. Also haben wir zu jedem Gang etwas zu erzählen. Einige Kunden sind sehr aufnahmebereit. Andere weniger.

GW Welches sind die häufigsten Reaktionen Ihrer Kunden?

TB Viele Kunden sind wirklich entzückt, regionale Produkte zu entdecken und kennenzulernen. Zum Beispiel unsere Butter aus Rohmilch, verschiedene Käsesorten mit feinen Geschmacksnoten und rare Spezialitäten wie der « Chantzet », der in unserer Gegend völlig unbekannt ist und dank Slow Food nun national berühmt wird.

GW Sie haben sich auch der Allianz der Köche angeschlossen, warum?

TB Es handelt sich um ein interessantes und aussagekräftiges Projekt und um eine wichtige Informationsquelle. Hinge- gen muss verhindert werden, dass Gastwirte nur auf diesen Zug aufspringen, um von der Werbung und dem guten Image zu profitieren, welches ihnen das Anbieten von ein paar wenigen Slow Food Produkten brin- gen würde.

 

« Eine wunderbare Inspirationsquelle »

Wie eine Fee streift Meret Bissegger durch Tessiner Gärten, Landschaften und Wälder. Ihr Ziel: für sich und für ihre Anhänger herrliche Lebensmittel zu entdecken. Seit ihr Restaurant im Jahr 2000 geschlossen hat, benutzt sie die in der Natur gefundenen Produkte in den Kochkursen, welche sie in ihrem bezaubernden Bed&Breakfast im Casa Merogusto in Malvaglia gibt.

GW Wozu dient das Konzept Slow Food aus Ihrer Sicht?

MB Obwohl ich mich in dieser Vorgehensweise seit langer Zeit erkenne, habe ich seit meinem Beitritt zu Slow Food im Jahr 2000 viel gelernt. Es ist eine echte Inspirationsquelle. Ich freue mich deshalb über das Interesse, das dieses Konzept weckt, auch wenn der Slow Food, und im Übrigen auch die Bioprodukte, häufig nicht verstanden werden.

GW Sind Sie von Slow Food enttäuscht?

MB Im Gegenteil, ich denke wir gehen in die richtige Richtung. Zusätzliche Kommunikationskampagnen wären selbstverständlich begrüssenswert. Da ich mich sehr für Gemüse und Getreide interessiere, wünschte ich mir eine verstärkte Bewegung des Konzepts in diese Richtung. Aber Slow Food ist ein aussergewöhnliches Projekt und ein wichtiger Informationsträger. Ich bin auch dankbar dafür, das Logo Slow Food auf meinen Büchern, die das Leben der Produzenten widerspiegeln, anbringen zu dürfen.

GW Was empfehlen Sie, für ein besseres Verständnis von Slow Food zu tun?

MB Die Bindung zur internationalen Bewegung muss unbedingt aufrechterhalten werden. Nach Italien gehen, an die von Slow Food organisierten Anlässe: Terra Madre – Salone del Gusto in Turin, Slow Fish in Genua und Cheese in Bra. Auch wenn man nicht italienisch spricht, ist dies eine gute Gelegenheit, die leidenschaftliche Komplexität dieses Konzepts zu entdecken, sich auf dem Laufenden zu halten und sich inspirieren zu lassen.

 

Slow Food Travel Seine Reise geniessen

Patmos, Peru, Szechuan und das Wallis sind die ersten Destinationen der neuen Variante des sanften Tourismus, verbunden mit der Gastrokultur.

Das Konzept Slow Food Travel, das in diesem Jahr umgesetzt wurde, kann für sein Gelingen auf ein Netzwerk mit 100’000 Mitgliedern in 160 Ländern zurückgreifen. In dieser erstmaligen Variante des sanften Tourismus werden Produzenten, Einwohner, Hoteliers und Weinbauern so eingebunden, dass das Ziel der Reise das gemeinsame Wahrnehmen der Kultur ei- ner Region und ihrer Gastronomie ist.

Erste Ferienziele im Ausland sind: Patmos (die Insel von Josef Zisyadis, dem Co-Präsidenten von Slow Food Schweiz), Peru (DAS weltweit für seine Gastronomie bekannte Reiseziel) und Szechuan (eine Region Chinas, welche besonders für ihre Beeren berühmt ist).

Japan und Marokko sind ebenfalls in Planung, und in der Schweiz findet man im Wallis ein erstes Slow Food Projekt.

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